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Phantastische Architektur – Über die Skulpturen von Stephan Siebers
Wenn man sich professionell mit Kunst beschäftigt, gerät manchmal die persönliche Begeisterung, die Leidenschaft für die Kunst, die Liebe für sie, ins Hintertreffen. Zu groß ist die Versuchung, ein vermeintlich objektives kunsthistorisches Raster über die Gegenstände zu legen, die sich als Kunst präsentieren. Sofort findet ein Abgleich nach internalisierten Qualitätsmaßstäben statt, wird mit ähnlichen Kunstwerken oder Künstlern verglichen. Unmittelbar bietet sich ein „artist-by-proxy“-Programm
Ganz selten ist folglich das Erlebnis, dass sich mir als Kunsthistoriker eröffnet hat, als ich zum ersten Mal einer Skulptur des Kölner Künstlers Stephan Siebers gegenüberstand: Bei einer Ausstellung in Köln habe ich mich sogleich in ein kleines, intimes Sujet verliebt, dass mir seither im Gedächtnis geblieben ist. Während draußen der Sturm „Kyrill“ tobte, empfingen mich Siebers Werke mit einer unglaublichen Ruhe, die sich aus einer den Skulpturen innewohnenden Kraftquelle zu speisen schien. – Als Kunstgeschichtler weiß ich, nichts von alledem ist zufällig. Das, was ich erlebe, ist ein Empfinden, dass direkt in dem Kunstwerk angelegt ist, das es ganz natürlich ausstrahlt. Auch wenn wir alle im Umgang mit Kunst einen sicherlich sehr individuellen Zugang haben, der auf unserer eigenen kulturellen Bildung basiert, gibt es dennoch Kriterien, Qualitätsmerkmale, die eher universell sind, denn sie begründen sich über eine Weltsicht, eine Annäherung an die Phänomene unseres Universums, für das der jeweilige Künstler einen konkreten und nachvollziehbaren Ausdruck gefunden hat.
Die Arbeit Siebers, die mich so nachhaltig beeindruckt hat, ist eine kleinformatige frühe Skulptur einer „Himmelstreppe“ aus poliertem Stahl. Eingefasst von zwei rechtwinkligen Stahl-Paneelen führen winzige, handwerklich äußerst präzise gearbeitet Metallstufen ins nirgendwo. Über ihnen thront eine wuchtige Kugel aus Cor-Ten-Stahl, getragen von halbkreisförmigen Einschnitten in die seitlichen Metalltafeln. Natürlich denke ich sofort an die phantastischen Architekturen von Etienne Louis Boullée oder Claude-Nicolas Ledoux. Aber warum? Nicht nur, weil mir die Kunstgeschichte nahe legt, im Unbekannten das Vertraute zu suchen. Die Revolutionsarchitektur von Boullée und Ledoux arbeiteten mit ähnlichen Mitteln, um Utopien der Baukunst zu konzipieren, die auch Stephan Siebers inspiriert zu haben scheinen: Ihre nie gebauten Entwürfe leben von der sich entfaltenden Kraft der Gegenüberstellung von Maßstäben, von Dimensionen, verknüpfen die bekannte und intuitiv lesbare Symbolik von klassischen Architekturelementen mit einer Makro-Maßstäblichkeit offenbar unmöglich zueinander wirkender Bestandteile. Bei Siebers Skulptur die den Titel „PORTAL“ trägt, trifft dies nicht nur in der Verbindung aus Treppe und dem darüber platzierten Globus auf, sondern auch in der Materialität des polierten Metalls gegenüber der rostig-stumpfen Cor-Ten-Kugel.
Diese Paarungen sind ohne Frage die Instrumente, mit denen Stephan Siebers seine Skulpturen konstruiert, um ihnen ihre direkt nachvollziehbaren Kräfteverhältnisse zu geben. Eine Energie, die in dem Material Stahl schon ob seiner ursprünglichen Bearbeitung vorhanden ist, die Siebers aber durch sein handwerkliches Geschick noch zu verstärken weiß: Die massive Stahlkugel scheint – obwohl ihr Gewicht deutlich zu spüren ist – über der Treppenanlage der Skulptur zu schweben. Diese Gestaltung aus der paradoxen Vereinbarkeit des Unvereinbaren widerspricht jeder Logik von Gravität. Trotz des Gewichts der verwendeten Materialien gelingt es ihm in all seinen Objekten eine Balance der Kräfte zu schaffen, die niemanden unbeeinflusst lässt.
Vor dem Hintergrund einer Schreinerlehre kennt Siebers nicht nur die konstruktiven Notwendigkeiten und konnte die technischen Fähigkeiten entwickeln, die den Skulpturen ihre Ausstrahlung verleiht, als ehemaliger Architekturstudent ist er ebenso mit den gestalterischen Möglichkeiten der Baukunst und der Architekturgeschichte bestens vertraut. Für Siebers war jedoch die Möglichkeit der Realisierbarkeit im Rahmen seiner bildhauerischen Tätigkeit überzeugender zu leisten, als dies innerhalb der funktionalen Begrenzungen der Architektur machbar wäre. Dennoch ist es augenfällig, dass seine Beziehung zur Architektur ungebrochen ist. Formal gesehen zeichnen sich seine Werke durch ihre Nähe zu den minimalistischen Ausdrucksformen aus, die das Bauhaus Fächerübergreifend entwickelt hat. Selbst wenn in der bildenden Kunst die Form nicht notwendigerweise einer Funktion folgt, so ist Siebers doch dem Diktum Mies van der Rohes eines „Weniger ist mehr“ verpflichtet. Seine Skulpturen sind geprägt von der Reduktion der Mittel, um ihre volle Energie als reine Form entfalten zu können.
Ähnlich wie bei den Skulpturen von Richard Serra schafft es Stephan Siebers immer wieder, die so unvermittelte Wucht des Stahls in ein Gleichgewicht zu bringen, das den Gesetzen der Schwerkraft zu widersprechen scheint. Bisweilen haben seine Objekte eine originäre Dynamik, die in der Zeit eingefroren erscheint wie ein Standbild. Dies verleiht ihnen die Leichtigkeit und Eleganz die mich schon beim ersten Anblick eingenommen hat. – Ein Effekt, der ob der Verwendung von Aluminium, Stahl, Messing, Bronze und Eisen in seinen Arbeiten eine hohe Meisterschaft bedarf, um ihn zu ermöglichen. Gleichwohl schafft es Siebers in seinen neuesten Skulpturen seine gestalterischen Mittel noch weiter zurückzunehmen, noch minimaler zu werden, nicht nur ohne den Ausdruck und den Eindruck, den seine Werke transportieren, einzuschränken, sondern um diesen noch zu verstärken. Er schärft sein künstlerisches Repertoire zusehens, während die Skulpturen noch klarer und puristischer auftreten, weil er sich weiter auf das Spannungsverhältnis zwischen Form, Maßstab, Material und Oberfläche konzentriert, die die Anmutung der Arbeiten ausmachen. Sie sind ebenso stabil wie sie zerbrechlich erscheinen, so leicht, wie sie schwergewichtig wirken, so statisch wie sie dynamisch und beweglich sind. Stephan Siebers verweist so auf ein kosmisches Urvertrauen das belegt, dass das Konträre tatsächlich nicht existiert, sondern das eine viel stärker weltbegreifende und welterklärende Komponente in der Erkenntnis liegt, dass Schwarz und Weiß keine Gegensätze sind, sondern lediglich Komplementärkontraste, zwei Seiten einer Medaille, die nur im Gegenüber überhaupt erst entstehen.
Marcel Krenz
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